Historie und gesetzliche Grundlage
Die epidemiologische Krebsregistrierung wurde in Hessen erstmals 2001 gesetzlich verankert. Ab 2007 wurde sie flächendeckend in Hessen umgesetzt und wird seither zentral organisiert. Das bis dahin rein epidemiologische Register wurde im Oktober 2014 zu einem kombinierten klinisch-epidemiologischen Register ausgebaut.
2001 bis 2007
In diesen Jahren wird das epidemiologische Krebsregister in Hessen sukzessive auf- und ausgebaut, bis es letztlich landesweit agiert.
Im Dezember 2001 tritt das Hessische Krebsregistergesetz in Kraft. Die Registrierung von Krebsfällen in Hessen beginnt auf einer den einzelnen Einrichtungen und Kliniken übergeordneten Ebene im Regierungsbezirk Darmstadt und ist zunächst auf wenige Merkmale der Diagnosestellung beschränkt. Zu diesem Zeitpunkt verfolgt die Krebsregistrierung rein epidemiologische Zielsetzungen, d. h. es geht um die Verteilung von Krebserkrankungen in der betrachteten Bevölkerung und eine Untersuchung der damit zusammenhängenden Variablen. Somit sind Aussagen über die Häufigkeit bzw. Seltenheit einer Erkrankung in Südhessen möglich. Im Jahr 2007 wird das Hessische Krebsregistergesetz auf das gesamte Landesgebiet ausgedehnt.
Für die Fragestellungen der epidemiologischen Krebsregistrierung ist die Dokumentation von relativ wenigen Angaben pro Krebsfall ausreichend. Diese beziehen sich vor allem auf zentrale Angaben zur Diagnose und enthalten höchstens rudimentäre Angaben zur Therapie. Des Weiteren wird das Sterbedatum der Patientinnen und Patienten erfasst.
Entsprechend sind die Inzidenz und die Mortalität zentrale Kenngrößen der Epidemiologie. Beide beziehen sich auf die Bevölkerungsgruppe innerhalb eines definierten Zeitraums (meist ein Jahr). Die Inzidenz gibt in der Krebsregistrierung die Krebsneuerkrankungsrate und die Mortalität die Sterberate der jeweils interessierenden Bevölkerungsgruppe (meist pro Krebsart, Region, Geschlecht und Alter) an. Der Einschluss in das Krebsregister ist über den Wohnort geregelt. Es werden also nur Patientinnen und Patienten erfasst, die in Hessen wohnhaft sind.
Die medizinischen Meldungen gehen in der Vertrauensstelle ein, die zu dieser Zeit auch die Meldevergütungen an einsendende Ärztinnen und Ärzte auszahlt. Die weitere Bearbeitung und Auswertung der Daten wird von der Registerstelle vorgenommen, die zuerst dem Staatlichen Untersuchungsamt Hessen zugeordnet ist, welches 2005 mit dessen Neugründung in das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen eingeht.
Juni 2008 bis April 2013
2008 wird auf Bundesebene der Nationale Krebsplan herausgegeben, der die Entwicklung der klinischen Krebsregistrierung anstößt. In den Folgejahren werden auf Bundes- und Landesebene die gesetzliche Grundlage für die klinische Krebsregistrierung geschaffen.
Im Juni 2008 verabschiedet das Bundesministerium für Gesundheit den Nationalen Krebsplan, der Ziele für folgende Handlungsfelder formuliert:
- Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung
- Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung
- Sicherstellung einer effizienten onkologischen Behandlung
- Stärkung der Patientenorientierung
Im August 2009 tritt das Bundeskrebsregisterdatengesetzin Kraft. Es baut auf den Strukturen der epidemiologischen Krebsregistrierung auf. Das BKRG regelt u. a. die Einrichtung des Zentrums für Krebsregisterdaten beim Robert Koch-Institut, das ab 2010 die epidemiologischen Daten aller Landeskrebsregister zusammenführt.
Im April 2013 tritt das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz in Kraft. Das Gesetz berücksichtigt mehrere Handlungsempfehlungen des Nationalen Krebsplans. Es erweitert u. a. das fünfte Sozialgesetzbuch um den § 25a „Organisierte Früherkennungsprogramme“ sowie um den § 65c „Klinische Krebsregister“:
- § 25a SGB V regelt den Ausbau und die Organisation von Krebsfrüherkennungsprogrammen.
- § 65c SGB V verpflichtet die Länder zum Aufbau klinischer Krebsregister und beschreibt deren Aufgaben sowie Finanzierung.
Oktober 2014 bis August 2018
Mit Inkrafttreten des Hessischen Krebsregistergesetzes im Oktober 2014 wird der Ausbau des bisher epidemiologischen Registers zu einem klinisch-epidemiologischen Krebsregister eingeleitet.
Um auf Landesebene die Vorgaben des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes umzusetzen, tritt im Oktober 2014 die Neufassung des Hessischen Krebsregistergesetzes in Kraft. Das vorige Gesetz wird aufgehoben. Fortan erfasst das Krebsregister sowohl epidemiologische als auch klinische Krebsinformationen. Zudem nimmt es Sterbeinformationen von den Gesundheitsämtern, Adressdaten von Einwohnermeldeämtern sowie Behandlungsdaten von anderen Bundesländern auf. Für die Registrierung der vielfältigen Daten nutzt die Vertrauensstelle ab Mai 2015 das Gießener Tumordokumentationssystem (GTDS) als zentrale Datenbank.
Im Oktober 2015 erlässt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration eine Verordnung zum Krebsregistergesetz, in der das Aufgabenspektrum von Vertrauens- und Landesauswertungsstelle aktualisiert wird und Modalitäten zur Abrechnung festgelegt sind.
Im August 2018 tritt die neue Meldedatenübermittlungsverordnung in Kraft. Damit erhält das Krebsregister monatlich auch das Sterbedatum und den Sterbeeintrag (Standesamt und Nummer) von den hessischen Einwohnermeldeämtern.
Details
Ausführungen zu den Entwicklungen des Datenbestands
Ab Oktober 2014 wird der klinische Datenbestand des Hessischen Krebsregisters sukzessive auf- und ausgebaut. Dabei werden zunächst Meldebögen auf Papier eingesetzt. Mit Freigabe der XML-Schnittstelle des bundeseinheitlichen onkologischen Basisdatensatzes werden ab November 2015 auch elektronische Meldungen angenommen.
Während der Registerbestand bis dahin langfristig nur in der Registerstelle vorgehalten war, bleibt der Datenbestand nun auch nach Weitergabe an die mittlerweile als Landesauswertungsstelle bezeichnete Stelle in der Vertrauensstelle vor Ort. Mit der Gesetzesnovellierung ist es möglich, hier die Stammdaten (wie Name und Anschrift sowie Versichertenangaben) der Patientinnen und Patienten unverschlüsselt in Klarnamen zu verarbeiten, vgl. Umsetzungen zum Datenschutz. Durch diese Neuerung wird die Zusammenführung der Daten aus verschiedenen Meldungen auf Personen- und Tumorebene deutlich vereinfacht und damit die Datenqualität erhöht. Rückmeldungen von Life- und Tumorstatus oder langfristig die Unterstützung von Tumorkonferenzen in den meldenden Einrichtungen werden darüber hinaus ermöglicht.
Ab Anfang 2019 tauscht das Hessische Krebsregister außerdem nach standardisiertem Verfahren Daten mit anderen Landeskrebsregistern aus, damit auch bei Patientinnen und Patienten, deren Wohnort und Behandlungsort in verschiedenen Bundesländern liegen, alle Informationen in den entsprechenden Landesregistern vorliegen. Dadurch ist sichergestellt, dass sowohl epidemiologische, wohnortbezogene Auswertungen als auch klinische, behandlungsortbezogene Auswertungen auf einer jeweils vollständigen Datengrundlage beruhen.
Auswertungen
Der Behandlungsortbezug ermöglicht es dem Krebsregister, den meldenden Einrichtungen individuelle Rückmeldungen zu ihren Behandlungen auch im Vergleich zu anderen Einrichtungen zu geben. Die vormals epidemiologisch arbeitende Registerstelle wird zu einer klinisch und epidemiologisch arbeitenden Landesauswertungsstelle ausgebaut.
Mit fortlaufendem Aufbau des Registers und des Datenbestands erweitern sich die Auswertungsmöglichkeiten sukzessive, und durch eine erhöhte Vollzähligkeit und Vollständigkeit der Daten steigt die Aussagekraft der Auswertungen. Die Zielsetzung ist es, eine fortlaufende und flächendeckende Registrierung der onkologischen Versorgung aufzubauen und zu überwachen. Damit erweitern sich die Aufgaben des ehemals ausschließlich epidemiologischen Krebsregisters um die Schaffung einer Versorgungstransparenz, um individuelle Rückmeldungen an Einrichtungen, um Qualitätssicherung und die Identifikation von wirkungsvollen Behandlungen gegen Krebs über einen langen Zeitraum hinweg.
Abrechnungsmodalitäten
Mit der Novellierung des Hessischen Krebsregistergesetzes wird am Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) eine Abrechnungsstelle aufgebaut. Sie nimmt die Abrechnungsdaten von der Vertrauensstelle entgegen, auf deren Basis sie die Abrechnungen mit meldenden Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenkassen durchführt.
Überprüfung der Krebsregister / Förderkriterien
Um die Funktionalität der verschiedenen Landeskrebsregister sicherzustellen, hat der GKV-Spitzenverband das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos beauftragt, ein Verfahren zu entwickeln, nach dem der Erfüllungsstatus verschiedener Förderkriterien nachgewiesen wird. Die ersten Prüfberichte dieser Art geben die Länder bis Dezember 2017 ab, damit die Berichte dann auf Bundesebene zusammengeführt werden können. Insgesamt 43 Förderkriterien sind von den Landesregistern nachzuweisen, die sich auf folgende sieben Anforderungsbereiche beziehen:
- Sachgerechte Organisation und Ausstattung, einheitliches Datenformat inklusive Datenschnittstellen zur Annahme, Verarbeitung und Weiterleitung
(18 Kriterien) - Mindestanforderung an den Grad der Erfassung und an die Vollständigkeit der verschiedenen Datenkategorien sowie an die notwendigen Verfahren zur Datenvalidierung
(15 Kriterien) - Einheitliche Verfahren zur Rückmeldung der Auswertungsergebnisse an die Leistungserbringer
(3 Kriterien) - Notwendige Verfahren zur Qualitätsverbesserung der Krebsbehandlung
(2 Kriterien) - Erforderliche Instrumente zur Unterstützung der interdisziplinären Zusammenarbeit
(1 Kriterium) - Kriterien, Inhalte und Indikatoren für eine landesbezogene Auswertung, die eine länderübergreifende Vergleichbarkeit garantieren
(2 Kriterien) - Modalitäten für die Abrechnung der klinischen Krebsregister mit den Krankenkassen
(2 Kriterien)
Dezember 2019
Im Dezember 2019 tritt die Neufassung des Hessischen Krebsregistergesetzes in Kraft. Auch wurde die Verordnung des Hessischen Krebsregistergesetzes aktualisiert.
Die "Novelle Krebsregistergesetz 2019" beinhaltet einige inhaltliche Korrekturen und Neuerungen. So übersenden zum Beispiel Einrichtungen der Pathologie in ihren Meldungen nun den Namen und die Anschrift der einsendenden Einrichtung als zusätzliche Information. Außerdem findet ein Datenabgleich mit dem Kinderkrebsregister statt. Der epidemiologische Datenbestand, der vor der Novellierung im Oktober 2014 aufgebaut wurde, wurde bislang in der Landesauswertungsstelle gespeichert. Dieser wird nun zur Speicherung an die Vertrauensstelle übermittelt. Tritt eine Patientin bzw. ein Patient erneut in dem klinischen Datenbestand auf, der ab Oktober 2014 aufgebaut wird, so können diese vorigen Informationen mit den neuen Daten verknüpft werden.
Die novellierte Verordnung beinhaltet als Neuerung zum Beispiel, dass die Vergütung der Meldungen zu minderjährigen Patientinnen und Patienten angepasst wird.
August 2021
Im August 2021 wird das Gesetz zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Seine Basis ist das seit 2009 geltende Bundeskrebsregisterdatengesetz.
Ziel des Gesetzes ist es, die Daten aller Landeskrebsregister beim Zentrum für Krebsregisterdaten zusammenzuführen, um so das Krebsgeschehen in Deutschland besser analysieren und die Versorgungsforschung weiter stärken zu können. Dies geschieht über einen mehrstufigen Prozess: In der ersten Stufe werden die Landeskrebsregister ab dem Jahr 2022 auch klinische Daten an das Zentrum für Krebsregisterdaten übermitteln. In einer zweiten Stufe stehen patienten- und einrichtungsbezogene Auswertungen sowie Forschungsprojekte im Mittelpunkt.
Mit dem neuen Gesetz werden auch die §§ 25a und 65c SGB V geändert. Wichtigste Neuerung im § 25a SGB V ist der Datenabgleich der Krebsregisterdaten mit den Daten der Krebsfrüherkennungsprogrammen sowie dessen Aufwandsentschädigung. Der § 65c SGB V wird u. a. aufgrund der oben genannten Neuerungen angepasst.
März 2022
Die Vorgaben, die mit dem novellierten Bundeskrebsregisterdatengesetz einhergehen, erfordern eine Anpassung der Verordnung des Hessischen Krebsregistergesetzes. Im März 2022 tritt seine geänderte Fassung in Kraft.
Mit der novellierten Verordnung ist es dem Krebsregister einerseits erlaubt, dem Zentrum für Krebsregisterdaten ab dem Jahr 2022 epidemiologische und klinische Daten zu übermitteln. Anderseits regelt die Verordnung den Abgleich der Krebsregisterdaten mit den Daten der organisierten Krebsfrüherkennungsprogrammen. Zum Zwecke der Qualitätssicherung dürfen festgelegte Krebsregisterdaten in pseudonymisierter Form an die Vertrauensstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses übermittelt werden. Der Datenabgleich erfolgt erstmals bis Ende 2023 und anschließend regelmäßig.
Ab Januar 2023
Die Landesauswertungsstelle und die Abrechnungsstelle des Hessischen Krebsregisters werden zum 01. Januar 2023 mit dessen Neugründung in das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP) übernommen. Die Vertrauensstelle des Hessischen Krebsregisters ist weiterhin der Landesärztekammer Hessen zugeordnet.
Ab August 2023
Am 15. August 2023 treten die Neufassung des Hessischen Krebsregistergesetzes und seine aktualisierte Verordnung in Kraft.
Die "Novelle Krebsregistergesetz 2023" ermöglicht es dem Krebsregister, sich an der Versorgungs- und Ursachenforschung zu beteiligen sowie Forschungsprojekte selbstständig durchzuführen. Ferner erleichtert sie den Zugang zu Krebsregisterdaten für wissenschaftliche Zwecke.
Dem Krebsregister ist es außerdem erlaubt, meldepflichtige Stellen durch Ordnungswidrigkeitentatbestände (Geldbuße bis zu 50.000 Euro) zur ordnungsgemäßen Durchführung von Meldungen anzuhalten. Die Novelle führt die Meldepflicht von prognostisch ungünstigen Hauttumoren ein. Ebenso weitet sie die Verantwortung für die Meldetätigkeit von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten bzw. Chefärztinnen und -ärzten auf die Geschäftsführungen von medizinischen Einrichtungen aus. Sie präzisiert die rechtzeitige, richtige und kontinuierliche Datenübermittlung, schafft Papiermeldungen ab und ändert das Widerspruchsrecht betroffener Personen. Ebenso stärkt das Gesetz die Rechte von Betroffenen durch die Einführung neuer Löschfristen.
Die aktualisierte Verordnung konkretisiert die Informationen zu den Abrechnungsdaten. Ebenso regelt sie, dass das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist. Die Landesauswertungsstelle und die Abrechnungsstelle gehören dieser Behörde an, die zum 1. Januar 2023 errichtet wurde.