Interview im Hessischen Ärzteblatt:
"Melden bedeutet Aufwand, aber auch Fortschritt"

Seit Januar 2021 führen Martin Rapp und Dr. med. Gunther Re­­xroth gemeinsam die Vertrauensstelle des Hessischen Krebsregisters. Darüber informieren wir im aktuellen Hessischen Ärzteblatt. Außerdem berichten die Abteilungsleiter im Interview, wo die Krebsregistrierung heute steht – und werfen dabei einen Blick in die Zukunft.

Hessisches Ärzteblatt: Start des Führungsteams
Dr. med. Gunther Rexroth und Dipl. Inf. Martin Rapp

Seit 4. Januar 2021 ist Dr. med. Gunther Rexroth der neue Ärztliche Leiter der Vertrauensstelle des Hessischen Krebsregisters. Die Leitung der Vertrauensstelle teilt er sich mit Martin Rapp, der seit dem Jahr 2018 die Aufgaben als Organisatorischer Leiter ausführt.

Darüber informieren wir in der aktuellen Ausgabe des Hessischen Ärzteblatts der Landesärztekammer Hessen. Im Interview sprechen die Abteilungsleiter außerdem über die Erfolge, Herausforderungen und Ziele der klinisch-epidemiologischen Krebsregistrierung in Hessen.

Hessisches Ärzteblatt

Der Artikel ist auf der Website der Landesärztekammer Hessen abrufbar:

Hessisches Ärzteblatt (Ausgabe März 2021)

Hessisches Ärzteblatt (Ausgabe März 2021)

Ausgabe 3/2021. Landesärztekammer Hessen

"Vertrauensstelle unter neuer ärztlicher Leitung"

Das neue Führungsduo im Interview:
"Melden bedeutet Aufwand, aber auch Fortschritt"

Im Oktober 2014 hat das Hessische Krebsregister seine Arbeit als klinisch-epidemiologisches Krebsregister aufgenommen. Im Interview berichten die Abteilungsleiter der Vertrauensstelle, wo die Krebsregistrierung heute steht – und werfen dabei einen Blick in die Zukunft.

Welche Daten werden vom Krebsregister erfasst?

Dr. med. Gunther Rexroth: Es werden alle Behandlungsinformationen der an Krebs erkrankten Patientinnen und Patienten erfasst. Das reicht von der Übermittlung der klinischen und auch der pathohistologischen Diagnose über Verlaufsdaten (Tumorrezidiv, Metastasierung, Zweittumoren) und Therapiedaten (erfolgte Operationen, medikamentöse Tumortherapien und Strahlentherapien) bis zur Mitteilung des Sterbedatums.

Von wem erhalten Sie diese Behandlungsinformationen?

Martin Rapp: Die Informationen werden uns von den hessischen Ärztinnen und Ärzten und ihren Teams gemeldet. Im ambulanten Bereich sind das Praxisinhaber, im stationären Bereich Chefärzte*.

Rexroth: Ärzte sind nach § 5 des Hessischen Krebsregistergesetzes zur Meldung verpflichtet. Doch noch nicht alle Ärzte kommen ihrer Meldepflicht nach. Sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich gibt es noch Übermittlungslücken.

Sind denn auch Hausärzte meldepflichtig?

Rexroth: Alle Ärzte, die Patienten onkologisch behandeln, sind meldepflichtig. Auch Hausärzte, die einen Krebspatienten beispielsweise nur im Rahmen der Nachsorge sehen, sind aufgefordert, an das Krebsregister zu melden. Ihre Behandlungsinformationen sind besonders für Auswertungen zum Langzeitüberleben von Bedeutung.

Warum ist es so wichtig, dass alle Ärzte melden?

Rapp: Das Krebsregister hat die Aufgabe, alle Behandlungsdaten zusammenzuführen und das gesamte Krebsgeschehen in Hessen abzubilden. Die Informationen sind für die Wissenschaft umso wertvoller, je vollständiger der Datensatz ist. Nur mit einer soliden Datenbasis können Therapieerfolge sichtbar gemacht oder Lücken in der Krebsversorgung aufgedeckt werden. Wir haben hierzu in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Im Diagnosejahr 2017 ist das Ziel, 95 Prozent der zu erwartenden Tumoren zu registrieren, erreicht worden. Das ist für uns ein großartiges Etappenziel, wenngleich neue Herausforderungen, wie die schnellere Datenverarbeitung, vor uns stehen.

Wo genau sehen Sie die aktuellen Herausforderungen?

Rexroth: Zu oft erfahren wir von Krebsfällen erst aus dem Leichenschauschein. Längst nicht zu jedem Tumor liegt das Krankheitsgeschehen vollständig vor. Wir sehen die wesentliche Herausforderung darin, die noch deutlichen Lücken in der Verlaufsdokumentation der Tumoren zu füllen. Sie bilden die Grundlage für klinisch relevante Auswertungen, zum Beispiel durch den Vergleich konkurrierender Therapieverfahren im Rahmen wissenschaftlicher Studien. Es gilt, diese Lücken zu schließen, indem wir nicht meldende Ärzte an das Meldeverfahren des Hessischen Krebsregisters anbinden.

Wie sieht die Vergütung der Meldungen aus?

Rexroth: Im Gegensatz zu manch anderer Pflichtaufgabe im ärztlichen Alltag werden die Meldungen an das Krebsregister vergütet, von 4 Euro pro Fall für die Meldung einer pathologischen Diagnose bis 18 Euro pro Fall für eine klinische Diagnose. Die Übermittlung von Therapie bzw. Verlaufsdaten wird mit 5 Euro und 8 Euro pro Fall vergütet. Zudem bekommen die meldenden Ärzte Auswertungen und Datenrückmeldungen vom Krebsregister zurück, die sie bei ihrer Krebsbehandlung unterstützen sollen und durchaus auch im Rahmen des „Benchmarkings“ interessant sind. Nicht zuletzt ist die aktive Teilnahme an der Krebsregistrierung Voraussetzung für die Zertifizierung von Organkrebszentren durch die Deutsche Krebsgesellschaft.

Seit gut sechs Jahren gibt es die klinisch-epidemiologische Krebsregistrierung in Hessen. Was haben Sie bisher erreicht?

Rapp: Am Anfang stand die Schaffung von Strukturen und Prozessen sowie der damit verbundene Personalausbau im Vordergrund. Mittlerweile haben wir zwei elektronische Übermittlungswege für Meldungen etabliert: das Meldeportal zur Online-Erfassung von Behandlungsdaten und den Meldeportal-UploadClient zum Hochladen von Meldungspaketen. Wir veranstalten regelmäßig Webseminare zur Meldungsdokumentation und zum Meldeportal.

Rexroth: Hohe Priorität kommt einer nutzerfreundlichen Kommunikation zu: Die meldenden Ärztinnen und Ärzte sollen in schnellstmöglicher Zeit ein Maximum an validen Daten übermitteln können. Um den Meldevorgang zu optimieren, beschäftigt die Vertrauensstelle fünf Informatiker. Die Meldung auf Papier wird sukzessive auf das elektronische Meldeverfahren umgestellt. Zudem soll gewährleistet werden, dass der Melder zeitnah klinisch relevante Auswertungen zurückbekommt.

Rapp: Auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit hat sich viel getan. Beispielsweise präsentieren wir uns seit dem Jahr 2019 mit einer eigenen Website und informieren Interessierte über unseren Newsletter zu wichtigen Themen rund um den Meldeprozess. Im Jahr 2021 werden wir unser Informationsangebot weiter ausbauen und gezielt onkologisch tätige Ärzte auf ihre Meldepflicht ansprechen.

Wie wollen Sie das Ziel, die flächendeckende Krebsregistrierung in Hessen, erreichen?

Rapp: Dafür setzen wir derzeit einige Maßnahmen um – beispielsweise das seit dem Jahr 2020 implementierte, zweijährige Vorhaben „Regionale Koordinierende“. Ein regionaler Koordinator*, angestellt im koordinierenden Krankenhaus eines Versorgungsgebiets, unterstützt uns bei der Etablierung des Meldeverfahrens von ambulant bzw. stationär tätigen Ärzten. Außerdem haben wir Kooperationen mit anderen hessischen Institutionen geschlossen, zum Beispiel mit der Landesärztekammer Hessen: Alle Ärzte, die sich bei der Kammer anmelden, werden eingehend über das Krebsregister informiert. Zudem arbeiten wir eng mit den hessischen Organkrebszentren zusammen, die einen erheblichen Teil zur Krebsbehandlung in Hessen beitragen und deren Meldungen für die Krebsregistrierung von hohem Wert sind.

Wie wird man zum Melder?

Rexroth: Den Anmeldebogen finden Ärztinnen und Ärzte auf unserer Website. Wir freuen uns über jeden weiteren aktiven Arzt und möchten uns an der Stelle bei den vielen aktiven Meldenden für ihre tatkräftige Unterstützung bedanken.

* Genderneutrale Sprache: Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwendet. Die Formulierungen beziehen sich jedoch auf Angehörige aller Geschlechter, sofern nicht ausdrücklich auf ein Geschlecht Bezug genommen wird.

Newsletter

Mit unserem Newsletter erhalten Sie regelmäßig aktuelle Informationen rund um das Krebsregister bequem in Ihr E-Mail-Postfach.